Bundesamt für Strassen ASTRA
A2 Zweite Röhre Gotthard

Im Gespräch: Geologinnen auf der Baustelle

10.06.2024

Die BTG Büro für Technische Geologie AG aus Sargans übernimmt die geologische Baubegleitung im Abschnitt Nord für den Bau der zweiten Röhre des Gotthard-Strassentunnels. Der Schweizer Geologenverband CHGEOL hat die Geologinnen Andrina Vlasek und Nathalie Schläpfer zu ihrer Arbeit auf der Baustelle interviewt. Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus dem Interview und erfahren Sie mehr über den Alltag der beiden Geologinnen.


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Die Geologinnen Nathalie Schläpfer (links) und Andrina Vlasek (rechts) auf der Baustelle der zweiten Röhre (Foto: Andrej Lesjak).

Ihr seid Teil der örtlichen Bauleitung, was sind Eure Aufgaben?

Nathalie Schläpfer: Unsere Hauptaufgabe besteht darin, nach jedem Abschlag sowie laufend während dem maschinellen Vortrieb der TBM die angetroffenen geologischen Verhältnisse zu kartieren und zu beurteilen (geologische Einheit, Trennflächen, Bergwasser, Standfestigkeit Gebirge, Beurteilung Ausbruchmaterial, notwendige Sicherungsmassnahen etc.). Den Befund halten wir in einem geologischen Baujournal fest und gleichen diesen laufend mit der Prognose ab.

Andrina Vlasek: Ebenfalls ein wichtiger Teil unserer Arbeit stellt die Begleitung von Sondierungen zur geologischen Vorauserkundung über- und untertage sowie unsere beratende Tätigkeit für die Bauleitung bei geologischen Fragestellungen dar. Nebst den täglichen Arbeiten im Tunnel überwachen wir in regelmässigen Abständen die Oberflächenquellen in der näheren Umgebung zu den Untertagebauwerken hinsichtlich möglicher Veränderungen in ihrem Schüttungsverhalten.

Die Baustelle ist noch «jung». Was war Eure erste geologische Herausforderung und wie habt Ihr diese bewältigt?

Schläpfer: Im Portalbereich von Göschenen ist der Fels mit künstlicher Auffüllung (Tunnelausbruchmaterial des bestehenden Bahntunnels) und Hangschutt mit grossen Blöcken bedeckt. Seit Baubeginn wurden im Portalbereich Göschenen mehrere Sondierbohrungen, zahlreiche Injektionsbohrungen und diverse Stollen erstellt, wodurch wir neue Erkenntnisse über den Felsverlauf gewinnen konnten. Anhand der neuen Daten haben wir die Prognose des Felsverlaufs laufend verfeinert. Die Interpretation, ob es sich nun tatsächlich um Felsen oder doch «nur» um einen Grossblock handelt, war nicht immer eindeutig. Erfahrungen zeigten, dass es hier keine Seltenheit ist, Blöcke von einigen 10 Kubikmetern Volumen anzutreffen. Als grösste Herausforderung empfinde ich den Umgang mit diesen Unsicherheiten.

Vlasek: Die grösste geologische Herausforderung steht uns noch bevor: der Ausbruch der Störzone Nord. Im Mai 2024 beginnen wir mit den Ausbrucharbeiten in dem stark gestörten Gebirgsabschnitt. Die grosse Herausforderung wird sein, die angetroffenen Gebirgsverhältnisse richtig zu beurteilen und daraus die notwendigen Sicherungsmassnahmen festzulegen, damit die erwarteten druckhaften Gebirgsverhältnisse nicht zu Instabilitäten, Niederbrüchen und damit zu Verzögerungen im Vortrieb führen.

Wie seid Ihr dazu gekommen, in diesem männerdominierten Projekt zu arbeiten?

Schläpfer: Ich habe 2019 bei BTG gestartet und durfte bereits vor diesem Projekt erste Erfahrungen im Untertagebau sammeln. Die Arbeit und die ganze Atmosphäre untertags gefielen mir vom ersten Moment an. Als ich dann gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte bei diesem Jahrhundertprojekt mitzuwirken, fiel mir die Entscheidung leicht.

Vlasek: Mich hat das Projekt an sich interessiert, da hat es für mich keine Rolle gespielt, dass es ein männerdominiertes Umfeld ist.

Wohnt Ihr in Göschenen oder pendelt Ihr? Wie ist das Leben im Dorf?

Schläpfer: Als ich auf der Baustelle startete, wohnte ich in einem kleinen Studio mit direktem Blick auf die Baustelle. Obwohl der kurze Arbeitsweg (weniger als 1 Minute!) sehr angenehm war und ich auch das Leben in Göschenen aufgrund der zahlreichen sportlichen Möglichkeiten und der wunderschönen Natur schätze, bin ich nach knapp einem Jahr nach Altdorf gezogen; denn ein wenig Abstand zum Arbeitsort ist doch sehr hilfreich, um am Abend richtig abschalten zu können.

Vlasek: Ich habe es genau umgekehrt gemacht und bin von Altdorf in ein Studio nach Göschenen gezogen. Am Anfang waren wir Mitarbeitenden der Baustelle nicht besonders beliebt, weil wir für Lärm und Staub im Dorf Göschenen gesorgt haben. Unterdessen hat sich der Unmut gelegt und wir werden ab und zu neugierig angesprochen, wie weit wir denn schon im Tunnel seien und viele finden die Arbeiten spannend.

Habt ihr schon schöne oder aussergewöhnliche Mineralienfunde gemacht?

Vlasek: Im Aare-Granit hatten wir einige Male das Glück, auf eine offene Kluft mit Quarzkristallen zu treffen. Beim Ausbruch der Betonkaverne stiessen wir auf den bisher aufregendsten Fund: rosa Fluoritkristalle auf grossen Bergkristallen! Für die Bergung der Mineralien sind aber nicht wir verantwortlich, sondern die Mineralienaufsicht des Kantons Uri.

Vielen Dank für den spannenden Einblick in Euren Berufsalltag!


Das Interview führte: Monica Vogel, Schweizer Geologenverband CHGEOL
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