29. März 2024, Karfreitag: An diesem Tag fuhren über 24'000 Fahrzeuge durch den Gotthard-Autobahntunnel. Tausende Menschen auf dem Weg ins Tessin oder nach Italien. Über die Osterfesttage die Verwandten besuchen oder einfach ein paar sonnige Tage südlich der Alpen geniessen.
Wahrscheinlich wussten nur wenige von ihnen, dass in Zukunft nebst dem Strassenverkehr auch Strom unter dem Gotthardmassiv hindurchfliessen wird. Deutlich wird dies während des Tags der offenen Tür auf der Baustelle der zweiten Gotthardröhre, welchen das Bundesamt für Strassen (ASTRA) Ende September organisierte. Wenn die Mitarbeitenden am Stand von Swissgrid erklärten, dass im neuen Tunnel eine Höchstspannungsleitung integriert wird, war die häufigste Reaktion unter den Besucherinnen und Besucher eine Mischung aus Erstaunen und Neugier: «Ah, wirklich?»
Ja, die Gotthardachse ist nicht nur für den Schienen- und Strassenverkehr von entscheidender Bedeutung, sondern auch für den Stromtransport. Ebenso wie Eisenbahn- und Strassentunnel ist die Stromleitung zwischen den Unterwerken Airolo (TI) und Mettlen (Gemeinde Eschenbach, LU) eine wichtige Nord-Süd-Verbindung im Übertragungsnetz der Schweiz und ermöglicht den Stromtransport von den Kraftwerken in den Alpen zu den grossen Verbrauchszentren im Mittelland.
Swissgrid plant den Bau einer neuen Kabelleitung im Dienststollen des zweiten Gotthard-Autobahntunnels. Es handelt sich um ein wegweisendes und innovatives Pionierprojekt: Zum ersten Mal wird eine Höchstspannungsleitung mit einem nationalen Strassentunnel gebündelt. Bei der geplanten Inbetriebnahme wird die rund 18 Kilometer lange Gotthardleitung die längste erdverlegte Höchstspannungsleitung der Schweiz sein.
Eisenbahn- und Strassentunnel tragen zu unserem Wohlstand bei, indem sie uns Mobilität garantieren. Das Übertragungsnetz von Swissgrid ist das Rückgrat einer sicheren Stromversorgung und trägt damit auch zum Wohlstand unserer Gesellschaft bei.
Heute befindet sich das europäische Stromsystem in einem tiefgreifenden Wandel. Einerseits wird die Elektrifizierung in den Bereichen Verkehr, Heizung und Industrie zu einem starken Anstieg der Stromnachfrage führen. Andererseits sieht das Ziel der Klimaneutralität einen erheblichen Anstieg der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solar- und Windenergie, vor. In der Schweiz werden die drei noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke durch Wind- und Solarkraftwerke ersetzt. Der Strom wird künftig auf neue Weise und an anderen Orten erzeugt als bisher.
In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, die Energieproduktion zu erhöhen. Die erzeugte Energie muss zu den grossen Verbrauchszentren transportiert werden. Dorthin, wo die Industrie ihn benötigt und wir Menschen uns auf ihn verlassen. Die Schweiz und Europa benötigen daher moderne, ausgebaute und in Echtzeit miteinander kommunizierende Stromnetze.
Unsere Vorgänger haben in der Vergangenheit mit viel weniger Mitteln grosse Bauwerke geplant und realisiert. Man denke nur an den Bau der Gotthard-Alpenbahnlinie Ende des 19. Jahrhunderts oder an die Planung des europäischen Verbundnetzes Mitte des 20. Jahrhunderts.
Die Ingenieure und Arbeiter von damals wurden von einem gemeinsamen Ziel angetrieben: Die Grundlagen für eine bessere Zukunft zu schaffen. Mit demselben Pioniergeist und Innovationswillen realisieren Swissgrid und das ASTRA heute gemeinsam ihre Projekte unter dem Gotthardmassiv, um die Schweiz auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.
Autor: Gabriele Crivelli Originalartikel: swissgrid.ch